Der Elbe-Seitenkanal

DAS BINDEGLIED IM NORDDEUTSCHEN WASSERSTRASSENNETZ

Der 115 Kilometer lange Elbe-Seitenkanal (ESK) – auch „Heide-Suez“ genannt – ist eine der wichtigsten Wasserstraßen Norddeutschlands. Er verbindet den Mittellandkanal bei Edesbüttel (MLK-km 233,65) westlich von Wolfsburg mit der Elbe bei Artlenburg kurz vor Hamburg (Elbe-km 572,97). Auf dem Kanal gelangen Waren und Güter vom Hamburger Hafen Richtung Süden nach Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Osnabrück und bis in das Ruhrgebiet. Über den östlichen Zweig des Mittellandkanals ist der Elbe-Seitenkanal zudem eine Alternative zu der

 

längeren, fahrtechnisch schlechten und von wechselnden Wasserständen beeinflussten Elbstrecke zwischen Lauenburg und Magdeburg. Auf diesem Weg verbindet der ESK auch Hamburg mit Wolfsburg, Haldensleben sowie weiteren Wirtschaftsräumen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Tschechien. Darüber hinaus ist der Elbe-Seitenkanal ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft in der Region zwischen Hamburg und Wolfsburg, da er die trimodale Anbindung der Häfen in Lüneburg, Uelzen und Wittingen sicherstellt.

Der Elbe-Seitenkanal ist als Binnenwasserstraße Vb klassifiziert. Das heißt, er kann prinzipiell von Schubverbänden (185 Meter Länge, 11,4 Meter Breite und 2,8 Meter Tiefgang), Großmotorgüterschiffen (GMS; 110 Meter Länge, 11,45 Meter Breite und 2,8 Meter Tiefgang) und übergroßen Motorgüterschiffen (üGMS; 135 Meter Länge, 11,45 Meter Breite und 2,8 Meter Tiefgang) befahren werden. Die Schleusen Uelzen I und Uelzen II mit 185 Meter Länge und 12 Meter Breite bzw. 190 Meter Länge und 12,5 Meter Breite lassen das auch zu. Das jetzige Schiffshebewerk in Scharnebeck erweist sich für viele Schiffe jedoch

als unüberwindbares Hindernis: Es ist lediglich für Schiffe mit maximal 100 Meter Länge und 12 Meter Breite ausgelegt. Schubverbände müssen entkoppelt und einzeln gehoben oder gesenkt werden. Das treibt die Kosten der Schubverbände und sorgt für Staus am Hebewerk. Zudem stören Wartungs- und Instand- setzungsarbeiten immer wieder den Verkehr auf dem Kanal – in den vergangenen Jahren kam er zeitweise komplett zum Erliegen. Die Wirtschaftlichkeit und die Verlässlichkeit der Binnenschiffsverkehre auf dem Elbe-Seitenkanal sind in Gefahr.

Bei seiner Einweihung 1976 sprach man noch vom Technikwunder – mittlerweile ist der Elbe- Seitenkanal ein Nadelöhr, das Entwicklungspotenziale und Arbeitsplätze in der gesamten Region bedroht. Denn die Gütermengen im Hamburger Hinterland- verkehr sollen bis 2030 um 48 Prozent auf rund 94 Millionen Tonnen steigen. Es ist also davon auszugehen, dass sich der Trend zunehmender Transporte auf dem Elbe-Seitenkanal fortsetzt und sogar verstärkt. Um die erwarteten Verkehrsmengen bewältigen zu können, braucht das Schiffshebewerk in Scharnebeck daher Verstärkung: eine zusätzliche Schleuse. Dieses Ergebnis brachte bereits ein 2013 von der IHK Lüneburg-Wolfsburg und weiteren regionalen Akteuren erstelltes Gutachten.

Die Untersuchung zeigte auch: Die Wirtschaftsregion entlang des Elbe-Seitenkanals kann von einer neuen Schleuse bei Scharnebeck deutlich profitieren. Zu einem ähnlichen Schluss kommt das von der IHK Lüneburg-Wolfsburg beauftragte und u. a. vom BESK e.V. mitfinanzierte Zusatzgutachten zum Ausbau des Elbe-Seitenkanals aus dem Jahr 2015. Ergänzend zu dem Gutachten aus 2013 wurden Gütermengen- perspektiven aktualisiert und die Kapazitäts- und Wirtschaftlichkeitsanalyse vertieft und ergänzt. Fazit: Setzt sich die dynamische Entwicklung auf dem Elbe-Seitenkanal wie zu erwarten fort, erreicht das Schiffshebewerk bereits zwischen 2020 und 2022 seine Kapazitätsgrenze.

Probleme und Potenziale
PROBLEME
  • Moderne Güterschiffe (GMS und üGMS) können das Schiffshebewerk Lüneburg bei Scharnebeck nicht passieren. Transporte können nur über kleinere oder speziell angefertigte 100m-Güterschiffe durchgeführt werden.
  • Aufgrund des Nadelöhrs Schiffshebewerk Scharnebeck kann der Elbe-Seitenkanal sein Potenzial als Vb klassifizierte Binnenwasser- straße nicht voll ausschöpfen.
  • Schubverbände müssen vor dem Hebewerk entkoppelt und einzeln gehoben oder gesenkt werden.
  • Wegen Wartungs- und Instandsetzungs- arbeiten an dem knapp 40 Jahre alten Hebewerk wird der Kanal immer wieder gesperrt. Viele Ausfälle brachten den Verkehr in den vergangenen Jahren teilweise komplett zum Erliegen.
  • Vor dem Hintergrund der aktuellen Dynamik und der prognostizierten Verkehre erreicht das Schiffshebewerk bereits zwischen 2020 und 2022 seine Kapazitätsgrenze.
  • Mangelnde Wirtschaftlichkeit und Verlässlich- keit mindern die Attraktivität der Binnenschiffs- verkehre auf dem Elbe-Seitenkanal und gefährden Entwicklungspotenziale und Arbeitsplätze in der gesamten Region.
POTENZIALE
  • Die auf dem Elbe-Seitenkanal transportierten Waren- und Gütermengen stiegen seit 2005 um rund 25 Prozent auf fast elf Millionen Tonnen in 2014. Das ist Rekord!
  • Besonders rasant war der Anstieg nach dem Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise. Zwischen 2010 und 2014 wuchsen die Transportmengen um rund 40 Prozent.
  • Experten erwarten für 2015 neue Rekordwerte der Binnenschiffsverkehre auf dem Elbe- Seitenkanal.
  • Als wichtigste Binnenwasserstraße für den Transport von Waren und Gütern aus oder zum Hamburger Hafen profitiert der Elbe- Seitenkanal weiterhin stark vom Wachstum des wichtigsten deutschen Überseehafens.
  • Der wasserseitige Gebietsverkehr am Elbe-Seitenkanal stieg zwischen 2011 und 2014 um 38 Prozent auf rund 841.000 Tonnen. Auch in Zukunft ist u. a. in Folge von Ansiedlungs- und Ausbauvorhaben mit weiterem Wachstum in den Häfen in Lüneburg, Uelzen und Wittingen zu rechnen.
  • Zahlreiche Großverlader (u. a. Volkswagen AG, Salzgitter AG, Wilhelm Fromme Landhandel GmbH und Deutsche Cargill GmbH) und ihre Zulieferer benötigen den Elbe-Seitenkanal für den Transport von Waren und Gütern. Sie wollen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ausbauen – und den Elbe-Seitenkanal noch intensiver nutzen.
  • Die Elbe – insbesondere die Mittelelbe – fällt wegen ihrer geringen Wasserstände als verlässlicher Verkehrsträger aus. Eine Ertüchtigung im notwendigen Umfang ist nicht absehbar – der Elbe-Seitenkanal wird daher immer attraktiver.
  • Auf dem Elbe-Seitenkanal werden vor allem Massengüter wie Mineralölerzeugnisse, feste Brennstoffe, Steine und Erden inklusive Baustoffe sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse transportiert. Den Bio-Energieträgern, Schwergut, Recyclinggütern, Neufahrzeugen sowie dem Containerverkehr werden Wachstumspotenziale zugeschrieben.
  • Zusätzliche Impulse für den Elbe-Seitenkanal geben der RegioPort Weser in Minden, die Überlegungen für einen Containerterminal im Hafen Hildesheim und die dynamische Entwicklung des Hafens Haldensleben.